Okularwahl

Neben der Frage, welches Teleskop das Richtige oder ein Gutes ist, beschäftigt den Astronomen die Frage nach den richtigen Okularen. Und das zu recht. Gerade die Anzahl der Okulartypen und deren unterschiedliche Eigenschaften und Qualitäten machen die richtige Wahl schwer. Hinzu kommt noch die Kompatibilität zwischen Teleskop und Okular, die nicht immer gegeben ist, sowie persönliches Empfinden.

Hieraus ergibt sich, dass man pauschale Empfehlungen selten ernsthaft aussprechen kann.

Wirklich empfehlen kann man nur, das Okular der Begierde selbst am eigenen Teleskop zu testen und sich hierfür ausreichend Zeit zu nehmen. Nur so wird man wirklich wissen, ob das Okular den eigenen Vorstellungen und Bedürfnissen entspricht und mit dem eingesetzten Teleskop harmoniert.

Dennoch möchte ich hier ein paar grundsätzliche Aussagen machen, Tipps und Anregungen geben, welche bei der Auswahl helfen können.

Wichtige Aspekte bei der Okularwahl:

Das Okularsteckmaß
Normale Okulare gibt es in 3 Steckmaßen: 0,96", 1,25" und 2". Andere Größen bis auf das neue 30mm 100 Grad mit 3" Steckmaß spielen in der Amateurszene keine Rolle.

Die 0,96" sind nicht mehr zeitgemäß und liegen i.d.R. Billigteleskopen bei oder sind entsprechend alt. Da sie oft auch von minderer Qualität sind, kommt die Anschaffung dieser Okulare tendenziell nicht mehr in Betracht.
1,25" sind heute Standard und in allen Varianten und Preisklassen erhältlich. Sinnvoll sind sie bis zu 28 - 32mm, wenn keine Sonderverwendung gewünscht ist, weil der maximal mögliche Lichtdurchlass flächenmäßig von der Feldblende begrenzt wird. Die Feldblende (meist in der Steckhülse) ist bei diesem Steckmaß maximal 27-28mm groß und ermöglicht bei Brennweiten um 30mm noch ein Standartgesichtsfeld von rd. 50 Grad, wie es z.B. Plösslokulare haben. Die Feldblende begrenzt das mögliche Gesichtsfeld, so das ein fiktives 80mm-Okular mit 1,25" Steckmaß zwar geringe Vergrößerung, aber auch ein mickriges Gesichtsfeld liefert - ein Tunnelblick entsteht. Niedrige Vergrößerungen (Brennweiten ab 28 - 32mm ) und größeres Gesichtsfeld sind deshalb nur mit 2" zu realisieren. Ultrawide-Gesichtsfelder sind ab etwa 20mm Brennweite, bei 100 Grad Sehwinkel noch weniger, bereits nur noch mit 2" und entsprechender Feldblende zu realisieren. Sollen es gar 100 Grad mit 30mm oder mehr Brennweite sein, brauchen wir schon ein Steckmaß von 3".

Das Filtergewinde
Sowohl Planeten-, Sonnen- als auch Deep-Sky-Beobachter werden irgendwann Kontrast steigernde Filter einsetzen wollen - besonders die letztgenannte Gruppe. Die Filterfassungen haben genormte Gewinde, die zum Gewinde der Okularsteckhülse i.d.R. passen. Insofern ist meines Erachtens ein Okular ohne Filtergewinde in der Steckhülse nicht wirklich akzeptabel.

Der Augenabstand
Für meine Begriffe ist komfortables Beobachten nur dann möglich, wenn der Abstand Auge zum Okular so groß ist, das weder die Wimpern noch eine Brille die Linse berühren. In Zahlen ausgedrückt sind 8-9mm noch annehmbar, 15-20 mm ideal. Brillenträger werden die Untergrenze vermutlich etwas höher ansetzen, insbesondere dann wenn man Weitwinkelokulare nutzt und das gesamte Gesichtsfeld überblicken will. Gerade Beginner werden tendenziell größere Abstände vorziehen. Nach meiner Erfahrung wird sich das mit der Zeit relativieren. Die zunehmende Übung und Gewöhnung ist m.E. ausschlaggebend dafür. Zu viel Augenabstand kann allerdings auch als Nachteil erlebt werden, weil man so evtl. die erforderliche Einblickposition nicht exakt einhalten kann. Bildausfälle und Abdunkelungen können als Effekt auftreten.

Die Brennweite
Gängige Okulare liegen zwischen 55 und 2mm Brennweite und decken so nahezu alle Vergrößerungsmöglichkeiten ab. Wie in der Rubrik Staffelung erörtert, sollte die richtige Brennweite abhängig von Teleskop und Einsatzgebiet gewählt werden.

Die Staffelung
Je weniger Geld man investieren möchte oder kann, um so mehr Augenmerk sollte man auf eine praxisgerechte Staffelung der Okulare achten. Gedanken an schön anzusehende Zahlenreihen wie 25, 20, 15 sollte man verwerfen und sich stattdessen einzig an den jeweiligen erzielbaren Vergrößerungen und deren Einsatzgebiet orientieren. Natürlich spielt das verwendete Teleskop eine entscheidende Rolle.
Sinnvolle Staffelungen kann man bereits mit 4 bis 5 Okularen ereichen, wobei die klieineren Brennweiten tendenziell stärker zu gewichten sind, um öfters die ideale Maximalvergrößerung zu erreichen. Die Ober- und Untergrenzen kann man gut anhand der Austrittspupillen festlegen. Die Basisaussstattung würde ich pauschal zwischen Austrittspupillen entsprechend der visuellen Grenzgröße mit bloßen Auge ( z.B. 5mag = 5mm AP) und 0,6mm AP wählen. Für ein f/6 Teleskop wären dies dann 30mm - 3,5mm.
Damit hat man eine guten Rahmen für eine Einstiegslösung, die je nach eigenen Vorlieben ggf. erweitert werden kann.
Für Zwischenbrennweiten würde ich folgende Gedanken aufgreifen:
- Vergrößerung zwischen 40 und 60fach, vorzugsweise Weitwinkel für offene Sternhaufen und großflächige Nebel
- AP 3,5-2,5 für Galaxien
- AP 2-0,8 für Kugelsternhaufen
- AP 1,5-0,6 für Planeten und Mond
Für ein f/6 Teleskop ergeben sich z.B. 30mm, 18mm, 8mm und 5mm als möglich Lösung.

Die Austrittspupille (AP)
Bei langbrennweitigen Okularen ist die Beachtung der erreichten Austrittspupille beim Einsatz wichtig. Sinnvolle AP sind zudem abhängig von den Gegebenheiten am Beobachtungsort. Beobachtungen unter hellem Stadthimmel mit 7 mm AP sind nicht gewinnbringend, da der Himmelshintergrund entsprechend hell abgebildet wird und damit schwache Kontraste verschluckt. Allgemein werden 7 - 8 mm AP als Maximum betrachtet, welches das Auge erreichen kann. Die sinnvolle Okularbrennweite ergibt sich in dem man die AP mit dem Kehrwert des Teleskopöffnungsverhältnisses multipliziert. So ergeben sich zum Beispiel für ein f/5 Teleskop Okularbrennweiten von 35 bzw. 40 mm als Obergrenze (7 bzw. 8 mm).
Auch bei kurzen Brennweiten verdient die AP besondere Beachtung, da eine Beobachtung mit zu geringer AP eine so genannte leere Vergrößerungen erzeugt. So ergibt sich z. B. ein AP von 0,2mm bei Verwendung eines 2mm Okulars an einem f/10 Gerät. Für ein klassisches 8" SC mit 2 Metern Brennweite wäre so rechnerisch die Vergrößerung 1000fach zu erreichen, was in der Praxis visuell nicht brauchbar ist. Im Allgemeinen geht man von 0,5mm Minimum aus. In manchen Fällen findet auch mal eine AP von 0,4mm Anwendung. Als Einsatzgebiet sind Mond und Planeten denkbar, besonders bei kleinen Teleskopen mit guter Optik.

Die Linsenanzahl
Jede Linse schluckt einen Teil des Lichtes auf dem Weg zum Auge. Von daher sind Viellinser i.d.R. gleichbedeutend mit einem erkennbaren Lichtverlust, wobei die Qualität der Linsen mit entscheidend ist. Höchste Qualitäten sind inzwischen so gut, dass ein Transmissionsverlust selbst bei 9-linsigern Modellen kaum mehr bemerkt wird. Dies hat allerdings auch seinen Preis.

Das Gesichtsfeld
Bauart- und herstellerbedingt gibt es Varianten mit weniger als 40 Grad und inzwischen 120 Grad scheinbarem Gesichtsfeld. Je nach Teleskop und Einsatzgebiet hat jede Variante Ihre Daseinsberechtigung, da die übergroßen Gesichtsfelder nur durch eine Kombination vieler Linsen erreichbar ist, was sich mit der absoluten Schärfe auf der Achse eher nicht vereinen lässt. So werden Planetenbeobachter eher absolute Schärfe und Transmission vorziehen, während der Deep-Sky Fan größte Gesichtsfelder genießen will und mitunter braucht. Schöne Weitwinkeleindrücke erreicht man schon bei 60 - 80 Grad Gesichtsfeld. Diese Felder lassen sich i.d.R. auch gut überblicken. Das ist bei den Ultraweitwinkelokularen mit z. T. 110 Grad nicht für jeden möglich. Allerdings ist der Spacewalk-Effekt, den man so erhält, für viele ein Traum. Zu unterscheiden ist das scheinbare Gesichtsfeld des Okulars und das wahre Gesichtsfeld am Himmel. Hinweise zur Berechnung findet Ihr im Artikel "Grundlagen zur Optik".

Die Verarbeitung (Vergütung)
Hochwertigste Okulare besitzen eine Multivergütung auf allen Linsenflächen und geschwärzte Linsenkanten. Nur so erhält optimale Leistung ohne störende Reflexe. Abweichungen hiervon sind einhergehend mit geringer Leistungsfähigkeit und entsprechend geringen Herstellungskosten. Schwache Kontraste, störende Reflexe und Kidney-beaning sind mitunter die Auswirkungen nicht optimaler Linsen/Okulare.

Das Teleskop
Unterschiedliche Teleskope erfordern mitunter unterschiedliche Eigenschafen der Okulare. Besondere Anforderungen stellen die schnelleren Newtonsysteme, da diese Teleskope konstruktionsbedingt Abbildungsfehler am Bildrand zeigen. Dies wird von vielen Okularen verstärkt, so das nur ein geringer Bildteil absolut sauber definiert bis hin zu nutzbar ist. Das gleiche Okular kann hingegen bei einem f/10 Teleskop eine perfekte Abbildung liefern. Das Okulardesign und die Auslegung machen den Unterschied. Informationen hierüber findet man leider zu selten bei den Händlern für meine Begriffe. Und dies, obwohl es ausgesprochen wichtig ist und gerade schnelle Newtonsysteme aufgrund der Preisentwicklung für viele Amateure erschwinglich sind und auch gekauft werden. Besonders Besitzer solcher Teleskope sollten sich hierüber gut informieren und auf keinen Fall auf einen vorherigen Test verzichten.

Das Gewicht
Gerade im Bereich der Einsteigerteleskope findet man leider immer wieder billigste Plastikokularauszüge, deren Stabilität nicht auf schwergewichtige Okulare ausgelegt ist und damit Beobachtungsspaß verhindern.
Das Gewicht kann gleichwohl bei den zunehmend beliebteren Dobsonteleskopen eine Rolle spielen. Die Verwendung schwerer Okulare kann, besonders bei einfacheren Chinageräten durch die Hebelwirkung zu einem störenden Ungleichgewicht auf der Drehachse führen, so das sich der Dobson langsam absenkt. Dem muss man dann mit Gegengewichten bis hin zu Verlagerung der Drehachse begegnen, eine Bastelarbeit, die nicht jedermanns Sache ist. Andernfalls wird der Dobson die eingestellte Höhe nicht halten, was störende permanente Korrekturen nach sich zieht.

Die Barlowtauglichkeit
Viele Sternfreunde variieren die Vergrößerungen durch Verwendung von Barlow-Linsen. Dies ist eine preiswerte Möglichkeit, bringt aber mit sich, dass der Okularkonstruktion besondere Beachtung geschenkt werden sollte. Manche Okulare erreichen Ihre Brennweite dadurch, das ein Barlowelement bereits im Okular verbaut ist. Die Kombination mit einer Barlow führt dann mitunter zu einer deutlichen Verschlechterung der Abbildungsleistung, manchmal sogar zu einer nicht verwendbaren Kombination. Auch dies gilt es möglichst vor dem Kauf zu testen.
Auch deshalb kam ich im Laufe der Zeit zu dem Ergebnis, dass ich, wenn immer möglich, auf die Barlow verzichte und lieber ein Okular mit gewünschter Brennweite einsetze.

Eigene Vorlieben
Abschließend kommen noch eigenen Vorlieben hinzu, die bei der richtigen Auswahl eine immense Rolle spielen. So ist der Augenabstand z. B. immer wieder ein Thema das von Beobachter zu Beobachter subjektiv recht unterschiedlich beurteilt wird. Auch leichte Bildeinfärbungen werden von störend bis angenehm beurteilt. Auch zeigt die Praxis immer wieder, dass die Augen nicht nur auf Grund von Sehfehlern recht unterschiedlich sind und somit zu unterschiedlichen Ergebnissen bei der Okularbeurteilung führen.

Die Okularauswahl, ein Thema um ein Buch zu schreiben. Insofern habe ich die Aspekte hier nur angerissen. Dennoch hoffe ich, dass meine Anregungen eine Hilfestellung bei der Auswahl des richtigen Okulars sind.
Denn die teuersten Okulare sind Fehlkäufe.

Auf den Sinn von 2" Okularen sowie die Kombination Okular und schneller Newton geht der Artikel Okuwahl spezial in besonderem Maße ein. Weiterhin habe ich unter Okularwahl-Raster eine kleine Okularkunde und ein grobes Auswahlraster eingestellt um die Okularfrage abzurunden.

Über Hinweise, Anregungen aber auch konstruktive Kritik würde ich mich freuen.

© 2004/2016 Antares