Glaubenskriege

Ein hartes Wort, aber gar nicht so weit weg von der Astronomie, wie man meinen mag.
Farbfehler, Obstruktion und Justage - 3 Worte, die viele Diskussionen anheizen.

Nicht selten ereifern sich die Gemüter und die Diskussion entgleitet und entfernt sich von der ursprünglichen Fragestellung. Leider oft im Zusammenhang mit Einsteigerfragen, die naturgemäß eher offen gestellt werden, mit der Folge, der Einsteiger blickt nicht mehr durch.
Natürlich kann ich eigene Erfahrungen und Meinungen nicht ganz ausschließen und somit einen absoluten Artikel verfassen. Dennoch hoffe ich die Thematik wertneutral und nachvollziehbar darzustellen.

Der Farbfehler

Mit dem Farbfehler wird normalerweise ein Blausaum bezeichnet, der hauptsächlich bei der Beobachtung von hellen Objekten, wie Mond und hellen Planeten, teilweise zu sehen ist. Er kann eigentlich nur auftreten, wenn das durch das Teleskop eingesammelte Licht gebrochen wird, was nur dann passiert, wenn Linsen beim Licht sammeln im Spiel sind. Dies ist bei den so genannten Refraktoren der Fall. Reine Spiegelsysteme scheiden hier aus, weil nur Reflektionen zur Bildgewinnung führen ( die Okulare ausgeklammert ).
Achtung zeigt sich ein Farbfehler an einem farbreinen System, so sollte das Okular oder ggf. eine Barlow geprüft werden.

Doch woher kommt das? Licht ist eine Welle mit verschiedenen Wellenlängen, je nach Farbe. Diese Unterschiede führen dazu, dass bei Lichtbrechung unterschiedliche Brennpunkte entsprechend den unterschieidlichen Wellenlängen entstehen. Da wir Menschen nicht nur auf einer Wellenlänge sehen - unsere Augen registrieren Wellenlängen in einer gewissen Bandbreite (Spektrum) - muss eine perfekte Abbildung einen einheitlichen Fokus in allen sichtbaren Wellenlängen haben.
Dies gelingt dem einfachen Linsenfernrohr nicht. Es kann nur Teile des Spektrums in einem Punkt zusammenführen. Praktisch werden wir auf grün scharf stellen. Ist grün scharf, so ist Rot, am einen Rand des sichtbaren Spektrums noch nicht im Fokus, während Blau am anderen Ende des Spektrum schon wieder zerstreut ist. Die Folge ist der Blausaum um die Beobachtungsobjekte. Dies bedeutet zwangsläufig auch, das hauptsächlich Informationen im Blauen, aber auch den anderen nicht fokussierten Farben zumindest im physikalischen Sinn verloren gehen, da wir hier quasi eine defokussierte Abbildung betrachten. So können wir nie die vollen Informationen aufnehmen, je nach Ausprägung der Fehlerstärke.
Schwächerer Kontrast und in gewissen Rahmen Detailverlust ist das Ergebnis.

Umgehen kann man dies, auch am Linsenfernrohr auf verschiedene Varianten. Zum einen kann man das Öffnungsverhältnis reduzieren. Man erhält dann einen langen Fraunhofer mit vergleichsweise kleiner Öffnung in Relation zur Brennweite. So wird der Farbfehler zwar nicht gänzlich verschwinden, aber deutlich reduziert werden können. Das kann so weit gehen, dass er unter die Wahrnehmungsgrenze des Auges gedrückt wird und somit in der Praxis irrelevant wird. Dies wird mit zunehmender Öffnung allerdings zusehends schwieriger, weil die erforderliche Brennweite überproportional erhöht werden muß.

Als weitere Möglichkeit kann man weitere Linsen einbauen, der Standartrefraktor hat 2, oder Gläser aus besonderem Material verwenden um die Brennpunkte besser zu vereinen. So lassen sich auch Linsenfernrohre mit großem Öffnungsverhältnis, im Idealfall quasi farbfehlerfrei produzieren, weil man eben den Farbfehler unter die Wahrnehmungsgrenze drückt. Diesen Fernrohrtyp nennt man Apochromat (Apo), der, ob der aufwendigeren Konstruktion, auch deutlich mehr kostet, als ein einfaches Linsenfernrohr. Zwischenlösungen verwenden meist ED-Gläser und werden oft auch so beworben.

Ein Grund für die Diskussionen darüber ist sicher auch die subjektive Einschätzung des Farbfehlers und natürlich unterschiedliche Geräte. Puristen erkennen und stören sich noch an geringsten Andeutungen des Farbfehlers, andere sind hier weniger empfindlich. Das geht mitunter so weit, das man den Farbfehler und dessen Auswirkung schlicht ignoriert, aus welcher Motivation auch immer. Bei DS Beobachtungen ist der Farbfehler von untergeordneter Bedeutung, da wir im Amateurbereich normalerweise nur mit Geräten zu tun haben, die aufgrund Ihrer Größe DS-Objekte quasi nicht farbig zeigen können. Es ist in diesen Fällen schlicht zu wenig Licht da, als das unsere Augen in der Lage wären Farben zusehen.

Die Obstruktion

Obstruktion ist der Begriff für die zentrale Abschattung im einfallenden Lichtkegel. Dies haben alle Teleskope, die einen Fangspiegel im Strahlengang haben. Allen voran ist der Newton zu nennen, gleiches gilt aber auch für Schmitt-Cassegrain, Maksutov-Cassgrain, Maksutov-Newton und Schmitt-Newton Systeme, die auf unterschiedliche Weise den Fangspiegel benötigen.
Grundsätzlich gilt, dass Obstruktion im physikalischen Sinne Kontrast mindernd wirkt. Ein obstruiertes Teleskop kann im Idealfall nur den Kontrast des freien Durchmessers des Lichtsammlers abzüglich der Obstruktion übertragen.
Insofern haben obstruierte Systeme einen Nachteil.
Allerdings, und das ist nicht unerheblich, spielen unsere Augen eine große Rolle bei astronomischen Beobachtungen. Und gerade unsere Augen führen die strenge Physik ad absurdum. Obstruktionen unter 15% sind visuell quasi nicht zu unterscheiden von nicht obstruierten Geräten.
Selbst 15-20 % sind oft nicht feststellbar, während über 20% Obstruktion oft erkennbar wird und für einen geringen, moderaten Wahrnehmungsverlust sorgt. Bis 25 % ist der Verlust immer noch recht gering aber für viele im Vergleich offensichtlich. Erst über 25 % steigt die erkennbare Auswirkung deutlich an, Maximalwerte von fast 40% sind für jeden quasi sofort erkennbar.

Meist gibt das Öffnungsverhältnis oder der Teleskoptyp die erforderliche Obstruktion vor. Allerdings kann man in gewissen Rahmen die Obstruktion reduzieren. Standartgeräte zumeist aus Fernost sind tendenziell zu hoch obstruiert für reine visuelle Anwendung. Dies liegt sicher auch an der Fertigungsqualität der Komponenten, aber auch daran das die Geräte auch fotografische Eignung haben sollen und somit eine deutliche größere Bildfeldausleuchtung benötigen.
Speziell für reine visuelle Anwendung kann man die Reduzierung durch folgende Veränderungen anstreben:
- Anpassung des Fangspiegels an die visuell erforderliche Bildfeldausleuchtung
- Verlängerung der Distanz Haupt- zu Fangspiegel um den Fokus so nahe wie möglich am Teleskoptubus anzulegen => Einbau eines niedrigeren Okularauszugs oft erforderlich, Binonutzung entfällt ggf., auch Fotografie ist so ggf. unmöglich.
Dies gilt für Newton. Andere Systeme sind dahin gehend optimiert oder nicht ohne Totalumbau veränderbar.
Weiterhin für den Newton gilt, das die Obstruktion mit zunehmender Öffnung immer geringer obstruiert werden kann, ohne das die Feldausleuchtung und damit DS darunter leidet. Visuell ausgelegt kann man schon einen 10" mit 20% obstruieren; die ganz großen Geräte haben oft trotz schnellem Öffnungsverhältnis klar unter 20" Obstruktion.


Es bleibt die Erkenntnis, dass der Kontrast durch die Obstruktion gesenkt wird, wenngleich dies nur bei wirklich hoch obstruierten Teleskopen als gravierender Nachteil angesehen werden muß. Dies trifft im Wesentlichen auf die Standartgeräte aus Fernost mit Öffnungen bis zu 8" zu. An dieser Stelle wird doch öfter mal ein Schreckensszenario unnötigerweise kreiert. Die Lichtsammelleistung hingegen, wird wesentlich weniger beeinträchtigt, als oft vermutet wird. Verglichen mit einer nicht obstruierten Optik, wird das Bild in der Regel etwas weicher gezeichnet erscheinen, ein Aspekt, der die Ästheten mit Vorliebe für knackige Abbildungen, stören wird. Dies ist allerdings nicht gleichbedeutend mit einer geringeren Detailerkennbarkeit, die, wie an anderer Stelle ausgeführt, vom Auflösungsvermögen - also Öffnung - aber auch von der Kontrastleistung abhängig ist. Beides muß gegeben sein, sollen die Ergebnisse gut sein.

Die Justierung

Grundsätzlich muss jedes Teleskop justiert sein, um die maximale Leistung zu ermöglichen. Justierung meint allgemein gesprochen die Ausrichtung aller optisch wirksamen Elemente zueinander bzw. zum einfallenden Licht.
Gerade dieses Thema wird immer wieder gerne als Argument gegen einen Newton vorgebracht, denn hier muss man regelmäßig die Justierung selbst prüfen und vornehmen. Zugegeben, ein zusätzlicher Aufwand, der Zeit kostet.
Aber das kann auch ein Vorteil sein, besonders im Niedrigpreissegment.
Dort trifft man leider oft auf andere Teleskoptypen, die ihrerseits schlicht keine Justagemöglichkeiten haben. Man ist also darauf angewiesen, dass der Zustand beim Kauf stimmt und sich nicht mehr verändert. Leider ist dies öfter nicht so. Dem Käufer bleibt nur der Umtausch oder der Weg zum Fachmann, der für teures Geld die Justage vornimmt, weil man selbst keine Möglichkeit hat, die Justage an diesen Geräten vorzunehmen.

Hochwertige Teleskope, auch der Refraktor, sind meist justierbar gebaut, so dass man auch hier im Bedarfsfall Hand anlegen kann, wahrscheinlich aber nur selten muss, schon allein deshalb, weil diese Geräte i.d.R. recht justierstabil sind.

An Newtonsystemen dagegen ist eine Justagevorrichtung schon bei den einfachsten und billigsten Geräten vorhanden, so dass man hier, nach etwas Einarbeitung in die Materie, selbst justieren kann. Besonders der Newton verlangt regelmäßige Justage. Auch Topgeräte bedürfen regelmäßig geringerer Nachjustage, insbesondere wenn sie mobil betrieben werden. Die Qualität des Teleskops bestimmt sich beim Newton u.a. auch durch die Stabilität der Justage.
Besonders aufmerksam sollten Besitzer schneller Newton hierbei sein. Ein f/4 Gerät z.B. will peinlichst genau justiert werden, soll es seine Leistung wirklich entfalten können. Schon eine geringe Dejustage führt bei Geräten ab f/5 und schneller zu drastischem Einbruch der Leistung, selbst bei perfekten Spiegeln. Einsteiger sind daher mit f/6 beim Newton besser beraten.

Komplizierter wird es, wenn man das Gerät z. B. zwecks Verbesserung der Innenschwärzung komplett zerlegt hat. Dann kann die korrekte Fangspiegelausrichtung schon anstrengend werden und sehr viel Zeit in Anspruch nehmen, auch wenn es kein Hexenwerk ist. So lange dies nicht der Fall ist und nur eine Korrektur oder leichte Nachjustage erforderlich ist, hat man nicht wirklich viel Arbeit und Aufwand damit. Mit etwas Übung ist man meist in 2-3 Minuten fertig.

Schlußwort

Justage, Farbfehler und Obstruktion, 3 Schlagworte mit denen man in der Astronomie immer wieder konfrontiert wird. Einsteiger sollten sich nicht davon erschrecken lassen, sind dies doch Dinge aus der Praxis mit gewisser Relevanz. Wichtig ist die Dinge zu kennen und um deren Bedeutung zu wissen, damit so manche überzogene Bewertung der vorgenannten Punkte richtig eingeordnet werden kann. Auch so mancher, als Argumentation ins Feld geführte Teleskopvergleich - mitunter getrieben von der Auffassung, dass das eigene Teleskop das Beste ist - lässt sich so relativieren und richtig einordnen. Emotional betrachtet läßt sich aus jedem der 3 Punkte ein pro oder contra machen und entsprechend argumentieren. "Wahrheit" ist halt standpunktabhängig, auch wenn eines sicher ist: Dem perfekten Teleskop - bei gleicher Öffnung - am nächsten, kommt ein Topapochromat, weil die optischen Komponenten hervorragend sind und diese Geräte nicht obstruiert sind. Wenn die Preise und das Gewicht nicht wären, so wäre die Frage nach "dem Teleskop" einfach zu beantworten.

Ich hoffe, ich konnte die Gegebenheiten richtig,verständlich und weitgehend wertneutral darstellen, auf das es dem Leser ein Hilfe ist, wenn die Themen Farbfehler, Obstruktion oder Justierung mal wieder die Gemüter erhitzen.

© 4/2005 Antares